Reclaim Your Face – Gesichtserkennung stoppen
Seit dem 17. Mai ist es nun da – das durch den digitalen Parteitag beschlossene Bundestagswahlprogramm der FDP. Das Motto „Nie gab es mehr zu tun” könnte in punkto Netzpolitik kaum treffender sein.
Unter dem Kapitel „Schutz der Privatsphäre“ bekennen sich die Freien Demokraten klar gegen den Einsatz der automatisierten Gesichtserkennung im öffentlichen Raum.
Wörtlich heißt es hier
„Videoüberwachung ist kein Ersatz für Beamte und kein Allheilmittel. Durch den Einsatz von Software zur automatisierten und massenhaften Gesichtserkennung im öffentlichen Raum droht eine Totalüberwachung. Eine flächendeckende Videoüberwachung lehnen wir daher ab und sehen auch die Ausweitung privater Videoüberwachung, die dann für staatliche Zwecken nutzbar gemacht wird, kritisch. Eine intelligente Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten kann aber eine sinnvolle Maßnahme zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung sein, wenn sie verantwortungsvoll eingesetzt wird.“
https://www.fdp.de/sites/default/files/import/2021-04/110463-programmentwurf-nie-gab-es-mehr-zu-tun-2.pdf
Das klingt doch erstmal vollkommen selbstverständlich. Aber dennoch ist dieses – uns so normalerscheinende – Recht auf Anonymität im öffentlichen Raum heute bedrohter als vielen von uns klar ist.
Das US-Unternehmen Clearview AI hat in den letzten Jahren Milliarden Porträtfotos von Facebook, YouTube und anderen Quellen eingesammelt und identifizierbar gemacht – ohne die Kenntnis oder gar Einwilligung der abgebildeten Personen. Die Fotos sind in einer riesigen Datenbank des Unternehmens gelandet, wo sie automatisch ausgewertet und Behörden zur Verfügung gestellt werden.
Ohne rechtliche Grundlage sind auch Menschen in Deutschland von solchen Praktiken betroffen. Netzaktivisten wie Matthias Marx vom Chaos Computer Club versuchen seitdem beispielsweise durch Beschwerden bei Datenschutzbeauftragten zumindest die größten Verstöße gegen unser Recht auf Anonymität einzudämmen, doch es braucht zusätzlich auch eine grundsätzliche Ächtung solcher Methoden durch die Politik.
Aus diesem Grund wurde beispielsweise die EU-weite, zivilgesellschaftliche Initiative für ein Verbot biometrischer Massenüberwachung ins Leben gerufen und durch die überparteiliche Kampagne #ReclaimYourFace begleitet.
Zusammen mit über 50 Organisationen veröffentlichte das Bürgerrechtbündnis European Digital Rights (EDRi) am 1. April 2021 einen offenen Brief an Justizkommissar Reynders mit der Forderungen nach einem verbesserten Grundrechtsschutz im kommenden Gesetz zur Künstlichen Intelligenz in Bezug auf einer biometrischen Massenüberwachung.
Ich bin sehr dankbar, dass es solche ehrenamtlichen Initiativen gibt.
Doch da auch so mancher Abgeordnete der Unionsparteien und SPD immer wieder von der Einführung einer uneingeschränkten Vorratsdatenspeicherung und biometrischer Erkennungsverfahren in Deutschland träumt, muss der anlasslosen Massenüberwachung auch im Bundestag aktiv entgegengetreten werden, wenn wir unsere Privatsphäre auch in der Offline-Welt behalten wollen.
Die Freien Demokraten setzen hier – beispielsweise dem Ihrem Antrag gegen automatisierte Gesichtserkennung durch die Bundespolizei – immer wieder ein Stoppschild, wenn jeder Bürger und jede Bürgerin unter Generalverdacht gestellt werden soll.
Weiterführende Informationen finden sich hier:
Antrag der FDP-Fraktion „Für ein Recht auf Anonymität im öffentlichen Raum – Keine automatisierte Gesichtserkennung durch die Bundespolizei“ : https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/168/1916862.pdf
Initiative für ein Verbot biometrischer Massenüberwachung : https://europa.eu/citizens-initiative/initiatives/details/2021/000001_de
Offener Brief von EDRi an EU Commissioner Reynders „Seeking your support for a specific ban on biometric mass surveillance “ : https://edri.org/wp-content/uploads/2021/04/Letter-from-51-civil-society-organisations-seeking-your-support-for-a-ban-on-biometric-mass-surveillance-practices.pdf
#ReclaimYourFace-Aktionsbündnis https://reclaimyourface.eu/